Termine
Pressestimmen
- Filmdienst 12-2002
- Junge Welt v. 3.07.2002
- TIP 13-2002
- Berliner Morgenpost 27.06.2002
- ZITTY v. 27.06.-10.07.2002
- Berliner Zeitung v. 27.06.2002
- Tagesspiegel v. 27.06.2002
- Fr. Allgemeine v. 19.06.2002
- News
and Stories, SAT1
- SPEX
- Fr. Allgemeine v. 27.05.2002
- Jungle World v. 22.05.2002
- Fr. Rundschau v. 4.05.2002
- Filmdienst 02-2002
- TAZ vom 22.02.2002
- Fr. Rundschau v. 17.01.2002
- SPEX Dez. 2001
- Jungle World v. 12.12.2001
- FAZ v. 02.12.2001
- Fr. Rundschau v. 13.11.2001
- Junge Welt vom 8.11.2001
- Raumzeit
Nov. 2001
- TAZ vom 30.10.2001
- TAZ vom 21.07.2000
|
Presseartikel (Berliner Zeitung, 27.06.2002)
Hohlkörper mit Geist
Der Regisseur Robert Bramkamp wird Thomas Pynchon gerecht: "Prüfstand
7"
von Philipp Bühler
Eine Rakete ist eine Rakete ist eine Rakete. Sollte man meinen.
Aber nein. Die Rakete, so lehrt uns Thomas Pynchons
Roman "Die Enden der Parabel", hat einen Geist. Er ist
weiblich und heißt Bianca. Mit ihrem unguten Hang zur Selbstzerstörung
hat die Rakete diesen Geist freigesetzt. Nun reist er noch sechzig
Jahre nach dem ersten Start durch die Zeitgeschichte, auf der Suche
nach der Lösung für das Rätsel Rakete. Dem Geist
nämlich, und das ist jetzt nicht ganz einfach, fehlt "das
Hirn", dem er entsprang. Der Erbauer ist verschwunden, gemeinsam
mit all den Kräften und Mächten, die seine Erfindung vorantrieben.
Was bleibt, sind eine Menge Fragen. Die Antwort, meint Bianca, liegt
in Peenemünde auf Usedom, der Geburtsstätte der V2, Hitlers
wahnwitziger Wunderwaffe. Unter einem Haufen Schrott.
Wer diesen abgefahrenen Geistestrip für höheren Unfug
hält, sollte die Kultfibel spintisierender Technik-Freaks nicht
lesen. Auch von Robert Bramkamps filmischer Umsetzung sollte er
die Finger lassen. Denn dem postmodernen Geist der Vorlage wird
Bramkamp durchaus gerecht. "Prüfstand 7" ist keine
saubere Dokumentation jenes halb geglückten, halb gescheiterten
Raketenprogramms der Nazis, das im Endspurt des Zweiten Weltkriegs
den Vorsprung durch Technik sichern sollte, sondern eine assoziative
Bildmontage auf den Spuren der Rakete, die das Buch gleichsam fortschreibt.
Dazu eine ironisch verspielte Dokumentarfiktion, die nicht nur quer
durch Deutschland düst, sondern mitten durch Mythos und Wirklichkeit,
Faszination und Wahn.
Im Park von Peenemünde kommt Bianca, verkörpert von der
Schauspielerin Inga Busch, nicht weiter. "Hallo", ruft
sie in die
Rakete. "Hier ist nichts drin", antwortet der Mechaniker
aus dem hohl tönenden Ausstellungsstück. Dass der saubere
Raketenbauer Wernher von Braun vom schrecklichen Los seiner Zwangsarbeiter
wissen musste, ist bekannt. Aber was trieb
den Mann dazu, sich auf einer einsamen Waldlichtung seiner Schöpfung
entgegenzustellen? Da zeigt uns Bianca doch
lieber ihre "Lieblingsfehlstarts" - und eine Kopie von
Fritz Langs utopischem Stummfilm "Frau im Mond". Der deutsche
Mythos wird Bild: Hier wurde der Countdown erfunden. Als mondsüchtige
Filmdiva schlüpft die Historikerin ins Plakat
und wittert Verschwörung. Haben Zensoren die verräterischen
Baupläne aus dem Film entfernt?
Das Rätsel Rakete bleibt im Film ungelöst, wie auch in
Pynchons Erzählung, wo Bianca übrigens nur eine Nebenrolle
spielt. Der Griff zum Buch und einige Spielszenen erschließen
jedoch die symbolische Dimension der Sache. Nach einem Zusammentreffen
Biancas mit dem paranoiden Helden Slothrop künden dessen Erektionen
vom Start der nächsten Rakete.
Der glänzende Hohlkörper ist also alles zugleich: begehrter
weiblicher Körper und Riesenphallus. Symbol für den
menschlichen Willen zu Schöpfung und Vernichtung. Hysterisches
Zeichen für alles, was nicht zusammengehört und durch
den Parabelflug der Rakete für immer miteinander verbunden
wird.
Das ist nicht ironisch? Mitnichten, wie schon die Entstehungsgeschichte
des Films zeigt. Von Pynchon selbst will Robert Bramkamp die merkwürdige
Erlaubnis erwirkt haben, Teile des Romans verfilmen zu dürfen.
Wer den großen Unsichtbaren des Literaturbetriebs kennt, kann
das nur für einen seiner schlechten Scherze halten. "No
one films Pynchon!" heißt es auch in Hollywood. Bramkamp,
Dozent an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg
und offenbar ergebener Fan des Dichters, setzt sich zuweilen sogar
dem Vorwurf der Peinlichkeit aus. Biancas bohrende Fragerei wirkt
mehr als unbeholfen; anstelle seines Vorbilds Alexander Kluge erreicht
Bramkamp mit seiner Billig-Ästhetik eher Schlingensiefs Krawallkino.
Aber das Raketenprinzip des selbstverständlich unverfilmbaren
Buches hat
Bramkamp begriffen: Mühsam zusammengeführte Teile brechen
wieder auseinander, ein Fehlstart kann zum Ziel führen.
Der Geist lebt.
Copyright © Berliner Zeitung 2002
|