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Presseartikel (Filmdienst, 02/2002)
Der Vater aller Dinge
A 4, V 2, B-52, Thomas Pynchon, und wie alles zusammenhängen
könnte
von Hans Messias
Ursprünglich war er für Flüge in großer Höhe
konstruiert; schließlich war der B-52-Bomber erdacht, um "unerreich
bar fern und fast unsichtbar" Atombomben ins Zielgebiet zu
manövrieren. Die große Höhe war allerdings auch
gewünscht, um sich der Druckwelle der eigenen Bombe und der
Strahlungsbelastung zu entziehen. Ihre eigentliche Bestimmung erfüllten
die B-52-Maschinen im Kriegseinsatz zwar nie, waren aber für
Atombombentests höchst zweckdienlich und nach einer geringfügigen
technischen Umrüstung auch in der Lage, aus geringeren Höhen
für Flächenbombardements in Vietnam oder im Golfkrieg
eingesetzt zu werden. Der Dokumentarist Hartmut Bitomsky erzählt
in "B-52" die Geschichte dieser längst veralteten
Waffe, die aber, wie jeder Mythos, höchst lebendig ist.
Den Traum vom Fliegen wollte man sich auch in Peenemünde erfüllen.Nur
dass dieser Traum sehr schnell zum Albtraum wurde. Denn ans Fliegen
dachten die Forscher um Wernher von Braun weniger als sie versuchten,
die A 4, die später als V 2 in Serie ging, in eine stabile
Flugbahn zu bringen. Raketenforschung hieß der Job, der im
"Prüfstand 7" betrieben wurde. Ihr Ziel war es, eine
Waffe zu schaffen, gegen die "kein Kraut gewachsen" ,
die nicht abzuwehren war. Am 3. Oktober 1942 konnte man den ersten
entscheidenden Erfolg versuchen: Städte wie London, Conventry
oder Antwerpen standen fortan im Visier deutscher Militärtechniker.
Robert Bramkamp hat sich in "Prüfstand 7" einer Mischung
aus Dokumentar- , Spiel- und Interviewszenen, dieser deutschen Raumfahrtpioniere
und den Folgen ihrer Entwicklung , die letztlich die Welt veränderte,
angenommen. Dabei beschränkt er sich nicht auf eine Dokumentation
über die Ereignisse in Nordhausen (Harz) später Peenemünde,
sondern setzt auch Bianca, das
Rakenkind, ins Bild, die Frau im Mond, die nach ihren Vätern
, ihrem Ursprung sucht. Somit kommt auch Thomas Pynchon ins Spiel,
der amerikanische Autor kryptischer Romane, der mit seinem Buch
"Gravity´s Rainbow" ("Die Enden der Parabel")
den roten Handlungsfaden für Bramkamps überbordenden,
keineswegs leicht zu entschlüsselnden Film liefert.
Mit Bianca macht sich der Zuschauer auf die Suche nach dem "Ofen",
dem Antriebsaggregat der Rakete, landet kurzfristig bei Fritz Lang,
der ihn schon längst für seine "Frau im Mond"
erfunden hatte, als der kleine Wernher noch gar nicht an das Fliegen
dachte, und wird dann mit den Raketen-Yuppies in Peenemünde
konfrontiert, die sich an ihrer Forschung, der Macht und den phallischen
Formen aufgeilen. Ein Filmessay voller Gedankensprünge und
Lücken, die es zu füllen gilt, ein seltener filmischer
Gedankenanreiz, der beschäftigt. Und ein Unikum, schließlich
hat Pynchon noch nie die Zustimmung zur Verfilmung seiner Romane
gegeben; hier aber huscht seine Bianca durch die Dokumentarbilder
und sucht sich zwischen den 20.000 Einzelteilen, aus denen die V2
montiert wurde. Sie findet sich nicht, auch nicht im technischen
Jenseits oder im Bremer Raketenpark, nicht einmal mit Hilfe der
Raketenfreunde oder in der KZ-Gedenkstätte Dora, von der aus
tausende Zwangsarbeiter nach Peenemünde abkommandiert wurden.
Denn alles, was es zu finden gilt, scheint sich hinter dem Schleier
zu verbergen, der sich um eine einmal gestartete Rakete bildet und
sie kühlt. Sie sucht etwas, was gänzlich zu fehlen scheint:
die Liebe, denn die kennt der Vater aller Dinge nicht. Wenn alles
gut geht, sucht der Zuschauer mit ihr. Doch genau wie das Raketenkind
braucht er Zeit, eine gewisse Hartnäckigkeit und die Hoffnung,
dass die Suche nicht ganz vergebens ist.
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